Die Geschichte der "Thespisnarren"


Am 30. August 1974 wurde der damalige Norderstedter Kultursaal (heute "Festsaal am Falkenberg", kurz FaF) im Rahmen der Festwoche "600 Jahre Harksheide" mit der ersten und lupenrein lokalen Kabarettproduktion "Lieb' Norderstedt, magst ruhig sein - Die Stadt, von der sich’s leben läßt -" feierlich eingeweiht.  (Plattencover-Foto: Werner Stahl, obere Reihe v.l.n.r.: Herbert Paschen, Lothar Borneff, Hans Kölling, Peter Wenzel, Renate Wenzel, Christiane Schlaikier, Lotti Paschen, Jörg-Peter Hahn, Birgit Kropp, Inka Hahn, darunter: Hans-Peter Schlaikier, Kutscher, Edith Hansson sowie (an der Glocke): Wolfgang Lorenzen-Schmidt).

In diesem Eröffnungsprogramm standen derzeit dreizehn (!) Kabarettist*innen auf der Bühne.

Die mit dieser ersten Produktion von Jörg-Peter Hahn (Foto: Herbert Lau) öffentlich vorgestellte Kleinkunst-Formation mit dem Namen: "Die Thespisnarren" rekrutierte sich aus Mitgliedern des Norderstedter Amateur-Theaters von 1947 e.V. ("NAT"), unter dessen "Schirmherrschaft" die ersten Produktionen bis 1984 standen.

Es folgten ab 1976 die politischen Kabarett-Programme

"Störet uns're Krise nicht (Schleswig-Holstein - leergewrungen)" 1976,

 

"Zwei Kreuze für ein Halleluja (ich hatt' einen Kandidaten ...)" 1978,

 

"Im Dünkel der Macht" 1980,

 

"Etwas ist faul im Staate D-Mark (... das macht der Kohl auch nicht wett)" 1982 und

 

"Komm, lass Dich verschaukeln, Luise" 1984

 

(siehe "/Programme", "/Fotoalbum", "/Videogalerie" und "/Presse").

 

Im November 1984 lösten sich die Thespisnarren vom "NAT", machten eigenständig weiter als "Die Thespisnarren" Norderstedter Kabarett e.V. (siehe: "/Impressum")

 

Der Name geht zurück auf den griechischen Dichter und Schauspieler THESPIS, der im 6. Jahrhundert vor Christus mit seinen Mimen auf einem KARREN, also dem "Thespiskarren", über die Lande gezogen sein soll.

 

Zum Maskottchen wählten die Thespis"n"arren eine Holzschnittfigur aus dem 16. Jahrhundert von Heinrich Vogtherr dem Jüngeren und im Logo wurde das Mittel-N zur Unterscheidung vom Thespiskarren "hinkend" und in roter Farbe abgesetzt.

 

Wie es sich für ein ernstzunehmendes Kabarett gehört - das immerhin im Deutschen Kabarett-Archiv in Mainz registriert war - wurden die Thespisnarren in den gut dreieinhalb Jahrzehnten ihres Wirkens auch schon "von höherer Warte" gegängelt, flogen sie, nicht zu Konzessionen bereit, aus (schon aufgezeichneten) Sendungen bei Funk und Fernsehen, was aber natürlich nicht heißt, dass sie nicht auch im Funk zu hören gewesen wären, etwa mit Auszügen aus dem Tucholsky-Programm "Tucho mit Grips - Szenen, Songs und "Schloß Gripsholm" (1985), mit ihrer Parodie auf den SHMF-Intendanten Justus Frantz: "Frantz op de Deel..." (1990) oder am 2. Oktober 2010 mit einem Interview von Vorstand und Regie im Deutschlandradio Kultur (siehe: "/Links"). Ihre Unabhängigkeit haben sie sich in all den Jahren bewahrt. Als ihnen jedoch das Termingerangel im "FaF" Mitte der 80er zuviel wurde, suchten die Thespisnarren in Eigeninitiative neue Spielstätten für ihre Produktionen und wurden zunächst im Norderstedter Rathaus fündig: Seit Herbst 1985 richteten sie vorübergehend ihr literarisches "Theatercafé" im Rathausfoyer I ein, ihr politisches "Statt-Theater-Brettl" im Rathausfoyer II.

 

Weitere Programme folgten im Jahresrhythmus:

"Tucho mit Grips - Szenen, Songs und "Schloß Gripsholm", erste rein literarische Produktion,1985,

 

"Wir sind so frei ..." 1986,

 

"Die ganze Welt ist himmelgrau (Mascha Kaléko und Erich Kästner in Lyrik und Chanson)", zweite Literaturproduktion, 1987,

 

"Saldo totale (eine kabarettistisch frisierte Bilanz zur Lage der Nation)" 1988,

 

"Jubiläums-Gala Best of Thespisnarren" 1989,

 

"Schwarz-Rot-Goldrausch (Helmut, Oskar - wer führt uns an?)" 1990,

 

"Ringelpiez mit Ringelnatz (Ein Brettl- und Plankenpoet in Dur und Moll)", literarisch,  1991,

 

"Auf geht's ... abwärts!" 1992 sowie

 

"...und leuchte im Gelichter (eine kabarettistische Kaschemmenkonferenz zu Graßhoffs Halunkenpostille)", literarisch, 1993.

 

Zum 20. Jubiläum feierten die Thespisnarren außerdem am 12. August 1994 mit einem Saal voller Ehrengäste ein "Da capo" aus früheren Programmen unter dem Titel "Zweite schwarz-weiße Nacht der Thespisnarren".

 

Kurz darauf folgte ihr 15. Programm

"Dämmert's den Göttern?", das am 20. Januar 1995 Premiere feierte.

 

(siehe "/Programme", "/Fotoalbum", "/Videogalerie" und "/Presse").

 

Es sollte die letzte Produktion werden, die Jörg-Peter Hahn inszenierte. "jph" erkrankte schwer, musste seine Arbeit im Verein aufgeben und starb im Juli 1996. Ein Schock für alle Thespisnarren auf und hinter der Bühne sowie deren Freunde und Förderer, aber gleichzeitig Herausforderung, in Jörg-Peter Hahns Sinne weiterzumachen.
 

Ensemble und Verein formierten sich neu. Anfang 1996 fanden die Thespisnarren in dem Berliner Schauspieler und Regisseur Rainer Gerlach (Foto: Kerstin Pukall) ihren neuen Autor und künstlerischen Leiter. Mit ihm, der dem Kabarett schon seit Schul- und Studientagen als Leiter/ Darsteller und Autor verbunden ist, in den 60igern Texte für die „Distel" schrieb, Theaterengagements u.a. in Magdeburg, Stendal, Berlin und München hatte und regelmäßig als Synchron-Regisseur arbeitet, kamen auch neue Darsteller*innen und Musiker*innen hinzu.

 

Das erste Programm unter Rainer Gerlachs Regie mit dem Titel: "Achtung Systemfehler" wurde 1997/1 für die Thespisnarren zur Bewährungsprobe. Es gab hier und dort „Schelte" von der Presse, aber überwiegend Zustimmung des Publikums, gefolgt von einem ausgiebigen "pro" und "contra" in Leserbriefen.

 

Die nachfolgenden Programme wurden dann auch bei den Kritikern begeistert angenommen,

"Frivol als auch" (literarisch, 1997/2) und

"MACHTLOS!" ("politerarisch", 1998) wurden zu großen Erfolgen im erstmals zum Theatersaal umfunktionierten Foyer des Kirchlichen Zentrums am Falkenberg. Mit dem Programm

"fast night of the proms" wurde das 25-jährige Jubiläum der Thespisnarren 1999 mit einer fulminanten Galashow parodierter Prominenz im Festsaal des „Garstedter Hofs“ gefeiert. Mit dem Programm

"Prost Mahlzeit" (2000) konnten die Zuschauer*innen in der Aula des Lessing-Gymnasiums den "Genießerschein" erwerben und (fast) alles über (literarische) Gastronomieregeln lernen.

Das Programm 2001 "Finale Marktwirtschaft" musste aufgrund der politischen Ereignisse am 11. September (Terroranschlag "Nine eleven" auf das World-Trade-Center, New York City, und das Pentagon, Arlington/Virginia) vier Wochen vor der Premiere "umgeschmissen" werden, und das insbesondere, weil als Rahmenhandlung eine Anspielung auf die New Yorker "German-American Steuben Parade" vorgesehen war. Es trug dann den bezeichnenden Titel:

"Schluß mit lustig" und war die bis dahin erfolgreichste politische Aufführung der neuen Serie und gleichzeitig ein Neuanfang im Oadby-and-Wigston-Saal der Norderstedter TriBühne, Jörg-Peter-Hahn-Platz 1.

 

Mit "Gartenfest - oder: Krieg der Zwerge - mit Tingeltangel" (2002) wurde den Kabarettfreund*innen nach "MACHTLOS!" zum zweiten Mal ein duales Programm (politisch und literarisch) geboten, das mit der integrierten Gastronomie beim Publikum riesigen Zuspruch fand. Zum "Gartenfest" (Foto: Uschi Köder und Wolfgang Lorenzen-Schmidt) steuerte ein Kabarettstück der Berliner Autorin Inge Ristock politisch hochaktuell bei, nach der Pause erklang als "Tingeltangel" ein Reigen musikalischer Kostbarkeiten diverser Literat*innen.

Dies ermunterte die Thespisnarren, mit ihrem 23. Programm

"Wir kriegen nicht genug  -entwaffnendes Lachen-" (2003) den Saal auch als norderstedterKLEINKUNSTbühne (nKKb) weiterzuführen und mit der Verpflichtung namhafter Künstler*innen von Nah und Fern zu einer Institution im Norderstedter Kulturleben auszubauen (siehe "/nKKb-Gäste").

Am 29.10.2004 wurde wieder mit einer politischen Kabarett-Eigenproduktion unter dem Titel "Alles reduziert" Premiere gefeiert, dem 24. Programm im Jubiläumsjahr:

"30 Jahre Thespisnarren".

(Ensemblefoto dieser Produktion: Kerstin Pukall, v.l.n.r.: Hans-Peter Schlaikier, Elke Zeißing, Marcel Kösling, Barbara Beier, Thomas Zeißing, Uschi Köder, Wolfgang Lorenzen-Schmidt)

 

Es folgte Programm Nummer 25:

"Zwischen Muskelzittern und Herzflattern" (literarisch-musikalisches Wellness-Programm, 2005)

 

Im August 2006 wurde die Programmserie unterbrochen mit einem durch die Kulturstiftung des Bundes geförderten Gastauftritt im Festspielprogramm "500ster Geburtstag von Hans Clauert in Trebbin" mit dem Titel

"Zum Narren halten", Hans Clauert, der "märkische Eulenspiegel",

der einmal im großen Saal der TriBühne, Norderstedt, und zweimal im Clauerthaus Trebbin zur Aufführung kam.

 

 

 

 

(v.l.n.r.: Jeanette Vollhardt, Wolfgang Lorenzen-Schmidt (o), Hans-Peter Schlaikier (u), Uschi Köder)

 

Danach die weiteren Programme Nummer 26 bis 31:

"Der Anpfiff lauert überall" (politische Produktion, 2006),

 

"Alles für die Katz – mit Liebe, Tod und Teufel" (Kabarettstück von Inge Ristock und literarisches Kabarett, 2007/1),

 

"Wir wirtschafts-wundern uns" (politisches Kabarett, ebenfalls 2007/2),

 

"Du bist Mode! - die catwalk-show -" (letztes literarisches Kabarett, 2009),

 

"Wir kennen uns doch …" (politisches Kabarett, 2010) und

 

"Wir räumen auf – ein Blick zurück nach vorn" (letztes politisches Kabarett, 2011).

 

(siehe "/Programme", "/Fotoalbum", "/Videogalerie" und "/Presse").

 

Die Thespisnarren-Gesamtbilanz 1974 bis 2011 summiert sich auf 31 Kabarettprogramme: 20 politische, 8 literarische Produktionen, drei sowohl-als-auch-Programme sowie darüber hinaus drei weitere Norderstedter Jubiläums-Nächte: "Best of Thespisnarren" zum 15., 20. und 30. Jahrestag.

Zu den 31 Programmpremieren in Norderstedt wurden hier und außerhalb weit mehr als 250 Folgeaufführungen für insgesamt etwa 50.000 Besucher*innen terminiert.

Hinzu kamen unzählige, meist etwa einstündige Auftritte zu privaten Festveranstaltungen in Norderstedt und vielen anderen Orten, siehe: Gastspielorte.

 

Mit dem 31. Programm 2011 endete dann allerdings wegen Nachwuchsmangels die aktive Zeit für Thespisnarren-Kabarettproduktionen, im Jahre 2012 wurde folgerichtig die Auflösung des Vereins beschlossen.

 

Die Sachwerte des Vereinsvermögens wie Bühnentraversen, Licht-, Ton- und Transporttechnik sowie Saalausstattung, Requisiten und Kostümfundus wurden den anderen Norderstedter Theatervereinen bzw. der "TriBühne" überlassen. Das nach der Liquidation verbliebene Barvermögen floss in Form von Spenden in den Norderstedter Stadtpark ...

... für eine Obstbaum-Patenschaft (Apfelsorte "Feldherr von Berlepsch") sowie ...

 

... für eine Parkbank unter dem Wetterpilz am "Feldpark", damit der gute Name "Die Thespisnarren" ein wenig nachhallt und die Norderstedter Parkbesucher*innen sich an diesem Erholungsplatz auch an das eine oder andere ihrer Kabarett-Programme bzw. an eine ihrer vielen kabarettistischen Aktionen  erinnern können.

 

(siehe "/Programme", "/Fotoalbum", "/Videogalerie" und "/Presse").



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